Gleich nach einem anstrengendem Reisetag tauchten wir in die Geschichte und Kultur Japans ein. In Kyoto, der Stadt der Tempel und Klöster, waren wir beeindruckt von dem architektonischen Kostbarkeiten vergangener Zeiten. Wir waren hinein versetzt in eine uns fremde Welt.
Die Stille und Harmonie, die uns in den Zen-Gärten begegneten, stimmten uns auf das bevorstehende Konzert unseres Rundfunk-Sinfonieorchesters Saarbrücken unter Stanislaw Skrowaczewski in Osaka ein.
Fünf Minuten vor Beginn des Konzertes erreichten wir endlich die Konzerthalle in Osaka. Ein Stau auf der Autobahn ließ uns verspäten. Schnell traten wir in die Halle ein, nahmen an der Kasse die hinterlegten Karten in Empfang und eilten, begleitet von hilfsbereiten japanischen Platzanweisern, in die oberen Stockwerke. Im Konzertsaal herrschte eine große Stille. Alle Besucher saßen bereits auf ihren Plätzen. Unterstützt durch herbeigeeilte, hilfreiche Japaner fand jeder von uns schnell seinen Platz.
Ein riesiger holzvertäfelter Saal umgab uns. Wir saßen auf einem der mittleren Ränge. Doch die Entfernung zum Orchester war für uns ungewohnt weit, weitaus näher erlebten wir noch vor einigen Tagen die Matinée in der heimischen Congresshalle. Doch nun sitzen die Orchestermusiker vor mir im japanischen Osaka über 10.000 Kilometer von Saarbrücken entfernt. Ein Glücksgefühl macht sich in mir breit, dieses Konzert hier in Japan miterleben zu dürfen.
Maestro Skrowaczewski kommt auf die Bühne – wie immer im Laufschritt. Er hebt den Taktstock. Leise beginnen die ersten und zweiten Geigen mit dem Tremolo, die Hörner setzen mit lang ausgehaltenen Tönen ein. Gleich drauf werden sie von den Bratschen, Celli und Kontrabässen in düsteren Klängen begleitet. Ein Blick ins Programmheft zeigt uns nur Bilder vom Dirigenten und dem Orchester sowie Informationen in japanischer Schrift.
Doch nach ein paar weiteren Takten ist klar, es ist Bruckners 8.Sinfonie in c-moll. Aber warum hat Skrowaczewski gerade diese düstere und schwere Musik gewählt?
Ob sie wohl den Japaner gefällt oder ob diese vielleicht heimlich mit Bruckners Zeitgenossen und Kritiker Hanslick urteilen und von einer im „Katzenjammerstil“ sprechen? Im Saal ist es mucksmäuschenstill. Kein Laut ist von den vielen Menschen zu hören, alle lauschen hingebungsvoll. Selbst in den kurzen Pausen zwischen den Sätzen ist es leise. Man hört nur hin und wieder ein verhaltenes Räuspern.
Während des Konzertes wage ich einen Blick zur Seite. Ganz konzentriert nehmen die japanischen Besucher die Musik auf, sie scheinen sie förmlich in sich aufzusaugen zu wollen.
Auch ich bin beeindruckt von der imposanten Klangfülle, die an mein Ohr dringt. Es herrscht eine unglaubliche Akustik in diesem Konzertsaal! Für mich ist es ein ganz neues Erleben dieser Sinfonie. Strahlender Bläserklang und kraftvolle Paukenwirbel beenden die Sinfonie.
Totenstille zunächst, dann bricht ein tosender Applaus mit temperamentvollen Jubelrufen los. Die große Begeisterung der Konzertbesucher war Ausdruck des Dankes für die hervorragende Leistung unseres Orchesters und seines Dirigenten Stanislaw Skrowaczewski.
Ute Oberhoffer